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«Unzensiert»: Einblicke in die Welt der Jugendlichen (AZ 23.9.08)

«Unzensiert»: Einblicke in die Welt der Jugendlichen
Tanzprojekt 53 junge Leute sammeln bei Arbeit an Hiphop-Musical Erfahrungen fürs Leben - Am 4. Oktober Premiere

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Kempten/Allgäu | dec | Jugendliche hängen nur rum, saufen und schlägern. «So denken viele. Aber das stimmt nicht», sagt Marc Göhring mit Nachdruck. Jezzica Erlwein nickt. «Und deshalb», so die zwei 16-Jährigen, «wollen wir zeigen, dass wir anders können». Ihr Sprachrohr dafür ist das Tanzprojekt «Unzensiert» (siehe Infoblock), das am 4. Oktober Premiere feiert. 

53 Jugendliche aus Kempten und Umgebung arbeiten daran mit. Ziel des Projekts ist es, jungen Leuten eine Stimme zu geben, mit der sie auch kritisch sagen dürfen, was sie bewegt. Das Drehbuch, das die Jugendlichen selbst verfassten, basiert auf ihren Lebenssituationen und Fragen und enthält Themen wie «Familie, Clique, Geld, Liebe, Tod und Alleinsein», zählt Mitinitiator und Tanzlehrer Richard Klug vom Kari-Dance-Studio in Kempten auf. 

 Diese Inhalte durch Tanzen rüberzubringen, «ist schwer», berichtet Jezzica. Schließlich kratze das Stück nicht nur an der Oberfläche. «Es geht in die Tiefe und ist keine leichte Kost», betont Klug. «Sehr berührt» ist Jezzica zum Beispiel von der Darstellung des Themenbereichs Familie. «Darin geht es um einen Junge, dessen Familie komplett zerrissen wird und der Raptext macht echt Gänsehaut», beschreibt sie die Szene.

«Darin finden sich sicher viele Jugendliche wieder», ist die Kemptnerin überzeugt. Aber nicht nur den Zuschauern soll «Unzensiert» Botschaften mitgeben. Das Projekt soll vor allem den Akteuren helfen, ihre Stärken und Schwächen kennenzulernen. Zudem soll es Teamfähigkeit und professionelles Arbeiten fördern. Neben Tänzern sind bei «Unzensiert» Jugendliche etwa als Bühnentechniker, Kostümschneider, Fotografen und Pressesprecher aktiv. «In allen Bereiche leiten Fachleute sie an», sagt Tanzlehrer Klug.

«Es soll ein Praktikum sein, bei dem sie über ein Jahr Erfahrungen sammeln können und konsequent dranbleiben müssen wie später im Beruf.» Das erforderte Disziplin. «Es war nicht nur Spaß», gibt Marc zu. Aber dem Kemptener Hiphop-Tänzer gab das Projekt ebenso eine Menge wie Jonas Strobel. «Ich habe zum Beispiel Teamwork gelernt», sagt der Weitnauer (15). Seine Projektgruppe drehte eine Dokumentation über «Unzensiert», die im Kemptener Kino Colosseum laufen soll. 

Das Ergebnis des Projekts hat Jonas in Pappenheim zum ersten Mal gesehen. Dort fand ein sechstägiger Workshop statt, «bei dem alle bis tief in die Nächte gearbeitet haben», sagt Klug. «Wir sind dort richtig zusammengewachsen», erzählt Marc. Und «das Stück ist der Hammer geworden», meint Jonas begeistert. Auch in den Schulen ist «Unzensiert» so kurz vor der Premiere Thema. «Vor allem Lehrer sprechen mich an», sagt Jezzica. «Ich musste im Unterricht davon erzählen. Es ist toll, wenn sich die Leute dafür interessieren.» Dann wird künftig vielleicht nicht mehr abfällig geschimpft: «Die Jugend von heute...» nur weil - so erlebte es Jonas - ein Mädchen aus Versehen eine ältere Frau anrempelte.